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06.10.2016

Cem Özdemir: „Europa braucht Solidarität in alle Richtungen“

Der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir mit Franziska Brantner im DAI am 05.10.

Europäische Krisen – grüne Antworten, das versprach der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Cem Özdemir auf Einladung des Kreisverbandes Heidelberg gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner im vollbesetzten Deutsch-Amerikanischen Institut. Große, komplizierte Themen, bei denen sich schlichte Antworten nirgendwo anbieten.

Vieles, was als undenkbar galt, ist denkbar geworden: Donald Trump als Präsidentschaftskandidat, Marine Le Pen bei 40 Prozent, Großbritannien kehrt Europa den Rücken, irrationale Kräfte am Ruder in der Türkei und in Russland. In Syrien geschehen schlimmste Verbrechen gegen unschuldige Menschen und kaum jemand begehrt auf, geschweige denn schafft es, dem Irrsinn Einhalt zu gebieten.

Der Bundestagsabgeordnete, der für den Wahlkreis Stuttgart im Parlament sitzt, machte es sich dann auch nicht einfach, scheute sich aber auch nicht, die Dinge klar beim Namen zu nennen.  Beispielsweise, dass weltweit unter den Ländern, die am meisten geflüchtete Menschen aufnehmen, kein einziges europäisches unter den ersten zehn zu finden ist.  Oder dass auch Deutschland lange ablehnte, den Italienern bei der Aufnahme von übers Meer Geflüchteten zu helfen.

„Ohne Solidarität in alle Richtungen wird Europa nicht gehen“, mahnte Özdemir. Gleichzeitig räumte er ein, dass innerhalb der europäischen Länder Ausdifferenzierung, verschiedene Geschwindigkeiten, aber auch klare Ansagen möglich sein müssten. „Vielleicht brauchen wir den Rechtsstaatsdialog nicht nur mit China, sondern auch mit Ungarn“, formulierte der frühere Europaabgeordnete kämpferisch.

Trotz der weltpolitischen Lage, die auch ihm nachts Schweißausbrüche verursachen, plädierte er wortstark für mehr Selbstbewusstsein der Demokratie und der Demokrat*innen. Bei Lippenbekenntnissen dürfe es indes nicht bleiben. Wer immer wieder anmahne, dass Fluchtursachen bekämpft werden müsse, müsse sich im Klaren darüber sein, dass das auch mit Waffenlieferungen und Hochseefischfang zu tun habe. „Haltung zeigen und Problemlösungen entwickeln“, auch wenn das dem gängigen Schwarz-Weiß-Denken nicht entspricht, so lautet das Credo von Brantner und Özdemir. „Nicht müde werden“, könnte man da die Heidelberger Dichterin Hilde Domin zitieren, wenn es darum geht, dass geflüchtete Menschen erst nach zwei Jahren den Antrag für Familiennachzug stellen dürfen oder dass 40 Prozent aller Alleinerziehenden in Deutschland im Hartz IV-Bezug sind. Was aber nicht bedeutet, dass sich Brantner und Özdemir nicht unverzagt gegen Kinderarmut oder für einen Waffenstopp in Syrien einsetzen.

Der Erfolg der Rechtspopulisten ist laut Özdemir keinesfalls nur als Sprachrohr des kleinen Mannes zu verstehen. „Wir müssen den Fehdehandschuh aufnehmen und die Debatte führen“, schwor er die Zuhörer*innen ein. Allerdings wisse er aus seinem Studium der Sozialpädagogik um das Problem von Sender und Empfänger. Manchmal, gab er zu bedenken, müsse der Sender auch das Gesagte noch einmal überdenken. Richtig sauer wurde er über die Vorfälle in Dresden am 3. Oktober. „Keine Toleranz der Intoleranz“, so Özdemir.

Eine klare Absage erteilte er einer Koalitionsaussage. Hier müsse seine Partei ebenso lernfähig sein wie in der Debatte um Steuererhöhung. „Es macht keinen Sinn mit dem gleichen Kopf, immer wieder an die gleiche Wand zu rennen“.  Am Ende der vielen auf Karten vom Publikum formulierten und von Franziska Brantner vorgetragenen Fragen, schlug der Gast dann noch einmal den Bogen zu den seiner Ansicht nach wichtigsten Themen: eine neue Mobilität ermöglichen, Klimaschutz umsetzen und natürlich ein starkes Europa bewahren.


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