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15.07.2016

#windkraftwissen: NABU über Windenergie in Heidelberg

Experteninterview mit Sebastian Olschewski, 2. Vorsitzender NABU Heidelberg.

Die GRÜNEN Heidelberg wollen die Debatte über Windenergie versachlichen und mit Informationen und Expertenwissen eine vernünftige und zielorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema erreichen. Wir machen daher den Faktencheck und lassen von Experten Behauptungen über Windenergie überprüfen. Lesen Sie hier ein Experteninterview mit Sebastian Olschewski, 2. Vorsitzender NABU Heidelberg, zu den Themen Natur- und Artenschutz.

1. Behauptung: Der Investor zahlt für den Gutachter, der einschätzt, ob auf der vorgesehenen Fläche ein Windrad gebaut werden darf, oder Naturschutzaspekte dagegen sprechen. Damit kann er sich das Gutachten kaufen, das in seine Pläne passt.

NABU Heidelberg: Das ist aus unserer Sicht stark übertrieben, auch wenn ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nicht von der Hand zu weisen ist. Die Planungs- bzw. Vorhabenträger müssen, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und Betrieb eines Windrades zu erhalten, umfangreiche Unterlagen zu einer Vielzahl von Themen bei der Genehmigungsbehörde einreichen (Hier geht es zur Übersicht der LUBW). Da kommen schnell meterweise Aktenordner zusammen! Die Planer müssen daher auch auf externe Gutachter zurückgreifen. Auch mit der Erstellung der Unterlagen für den Natur- und Artenschutz werden i. d. Regel Fachgutachter beauftragt. Dabei handelt es sich normalerweise um Biologen oder Ökologen. Diese dürfen aber nicht einfach nach Lust und Laune ihre Gutachten erstellen.

Die Naturschutzverwaltung hat umfangreiche Hinweispapiere mit ganz konkreten Vorgaben erarbeitet (Hier geht es zur Übersicht der LUBW). Die Gutachter sind gut beraten, diese methodischen Vorgaben bei der Erfassung und Bewertung zu berücksichtigen, nur das bringt die notwendige Rechtssicherheit. Die eingereichten Unterlagen werden von den Behörden auf Einhaltung der Vorgaben geprüft und ggf. Nachbesserungen gefordert. Diese Gutachten werden darüber hinaus im Rahmen der vorgeschriebenen Beteiligung veröffentlicht - Umweltverbände und Bürgerinnen und Bürger können sich diese ganz genau anschauen. Das schafft Transparenz.

Die Gerichte haben mittlerweile auch deutlich gemacht: Ausreichend dokumentierte ökologische Daten von sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Umweltverbänden müssen von den Behörden im Verfahren berücksichtigt werden. D. h. die vorgelegten Gutachten sind nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage der Behörde, vielmehr wird ihr ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Naturschutzverwaltung verfügt zusätzlich über eigene ökologische Daten, z. B. durch die landesweite Milankartierung der LUBW aus den Jahren 2012-2014 (Hier geht es zur Übersicht der LUBW), die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Es gibt leider aber auch immer wieder Fälle, in denen die Gutachter versehentlich oder mutmaßlich aus Gefälligkeit geschlampt haben. Wir halten daher eine unabhängige Gutachterzertifizierung, die es bisher im ökologischen Bereich nicht gibt, für sehr sinnvoll.

2. Behauptung: Fledermäuse werden durch die Windenergieanlagen geschreddert oder erleiden ein Barotrauma, die Anlagen sind für sie also eine große Gefahr.

NABU Heidelberg: Die Fledermäuse gehören neben den Vögeln zu denjenigen Artengruppen, die durch Windkraftanlagen stark beeinträchtigt werden können. Neben der Zerstörung von Lebensstätten z. B. durch Zuwegungen oder Bauflächen stellt insbesondere das Kollisionsrisiko von Fledermäusen an Windkraftanlagen einen ernstzunehmenden Konflikt dar. Fledermäuse haben eine geringe Fortpflanzungsrate, ganz anders als ähnlich kleine Nagetiere. Daher wiegen Individuenverluste besonders schwer. Der bedachten Standortwahl kommt zur Konfliktvermeidung eine Schlüsselrolle zu. Alte Wälder mit einem über 140 Jahre altem Baumbestand müssen für Windkraft aus unserer Sicht tabu sein. Anlagenstandorte in der Nähe von Grenzstrukturen wie z. B. Waldränder oder Gebüschstrukturen können wie auch wichtige Zugkorridore für wandernde Fledermäuse kritisch sein.

Eine in der Praxis bewährte Vermeidungsmaßnahme kann das Kollisionsrisiko für Fledermäuse in vielen Fällen stark absenken. Durch Abschaltalgorithmen steht die Windkraftanlage während der Aktivitätsperiode der Fledermäuse zu bestimmten Dämmerungs- und Nachtzeiten still. Hier macht man sich zunutze, dass Fledermäuse artspezifisch vorwiegend zu bestimmten Bedingungen im Luftraum unterwegs sind. Sind die Bedingungen für Fledermäuse besonders günstig (z. B. wenig Wind, milde Temperaturen), wird die Anlage abgeschaltet. Zur Berechnung der anlagenspezifischen Abschaltzeiten sind umfangreiche Untersuchungen zu den Fledermausvorkommen notwendig (in Höhe der Gondel = Gondelmonitoring). Somit können in der Regel Konflikte zwischen Fledermausschutz und Windkraftnutzung minimiert werden.

3. Behauptung: Durch das Gebiet von Drei Eichen geht ein Europäischer Wildfernweg, diese Route würde durch den Bau der Windenergieanlage massiv gestört werden.

NABU Heidelberg: Gemeint ist hier sicherlich der Biotopverbund. Diese grüne Infrastruktur gewährleistet Wanderbewegungen, Wiedervernetzung und Ausbreitungsprozesse einheimischer Tier- und Pflanzenarten. Prominente Beispielarten sind die Wildkatze oder auch der Wolf. Verschiedene Fachplanungen des Landes Baden-Württemberg stellen die Grundlagen für diese für viele Tier- und Pflanzenarten so wichtige Grüne Infrastruktur dar. Neben dem Fachplan "Landesweiter Biotopverbund" gehört auch der Generalwildwegeplan (GWP) der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA) mit den Wildtierkorridoren zum Biotopverbund. Im GWP werden Wildtierkorridore mit regionaler, nationaler und internationaler Bedeutung benannt. In einer Entfernung von etwa 1,7 Kilometern zur geplanten Konzentrationszone Drei Eichen verläuft zwischen Gaiberg und Waldhilsbach ein Wildtierkorridor internationaler Bedeutung.

Die größeren Säugetiere sind nach jetzigem Kenntnisstand im Vergleich zu bestimmten Vogelarten und Fledermäusen nicht besonders empfindlich gegenüber Windkraftanlagen. Kritisch können die Zuwegungen werden, da dadurch eine gewisse Zerschneidung zusammenhängender Waldfläche einhergeht. Auch in der Bauphase sind Störungen möglich. Daher müssen diese Wildtierkorridore von Bauvorhaben freigehalten werden. Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass durch die mögliche Errichtung von Windkraftanlagen am Standort Drei Eichen die Tiere auf diesem Korridor negativ beeinträchtigt werden.

Der nördliche Teil der Fläche Drei Eichen liegt allerdings gemäß dem Regionalplan Rhein-Neckar innerhalb eines bedeutenden Raumes für den regionalen Biotopverbund, was bei der weiteren Planung berücksichtigt werden muss. Die Biotopverbundfläche deckt sich weitgehend mit dem FFH-Gebiet, sodass bei Herausnahme des FFH-Gebiets aus der Konzentrationszone auch dieser Konflikt vermieden würde.

Wir veröffentlichen in den nächsten Tagen weitere Beiträge von Experten zum Thema Windenergie auf unserer Webseite. Ziel ist eine Versachlichung der Debatte mit Information und Expertenwissen, um eine vernünftige und zielorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema Windenergie in Heidelberg zu erreichen. Am Donnerstag, 21. Juli, entscheidet der Heidelberger Gemeinderat darüber, in welchen Konzentrationszonen künftig Windräder gebaut werden könnten. Hier geht es zur Beschlussvorlage (TOP 6). Die GRÜNE Gemeinderatsfraktion hat zudem beantragt, dass FFH-Gebiet aus der Konzentrationszone bei Drei Eichen herauszunehmen.


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