Home | Kontakt | Mitglied werden | Satzung | Spenden | Newsletter | Suche
Logo Bündnis '90/Grüne Heidelberg
Home » 

28.10.2014

„Linda“ und die Wirte: Unversöhnlich wie nie

Bericht der RNZ zur Mitgliederversammlung "Altstadt für Alle - Lebendiges Nachtleben und Wohnen" vom 25.10.

Grüne luden zur Diskussion – Erichson dämpft Erwartungen beider Seiten an Verwaltungsvorlage

von Sebastian Riemer

Noch in diesem Jahr wird der Gemeinderat über eine neue Sperrzeitenregelung entscheiden (siehe Hintergrund). Um ein Meinungsbild einzuholen, hatten die Grünen das Thema „Altstadt für alle – Lebendiges Nachtleben und Wohnen“ auf die Tagesordnung ihrer Mitgliederversammlung am Donnerstagabend gesetzt und die breite Öffentlichkeit ins Literaturcafé der Stadtbücherei geladen. Aber natürlich kam nicht die breite Öffentlichkeit, sondern es kamen doch nur wieder die alten Antipoden. Auf der einen Seite Mitglieder von Linda („Leben in der Altstadt“), jene Gruppe leidgeplagter Anwohner also, die eine Verlängerung der Sperrzeiten fordern. Und auf der anderen Seite die Wirte, die sich dadurch in ihrer Existenz bedroht sehen.
Man hätte wissen können, dass nur wieder – in scharfem Ton – die altbekannten Argumente ausgetauscht werden. Die Erkenntnis des Abends: Die beiden Lager stehen sich unversöhnlicher gegenüber als je zuvor. Für „Linda“ verlas Doris Hemler eine wenig überraschende Erklärung: Die Stadt müsse Sorge dafür tragen, dass die Lärmgrenzwerte nachts nicht ständig überschritten würden. Dies gehe nur mit einer Sperrzeitenverlängerung.
Die Replik kam von Daniel Wilson, Mitinhaber dreier Kneipen in der Altstadt („Mel’s“, „Jinx“und „ZKB“), der für die Wirte argumentierte: „Man muss die Ströme von Menschen nachts entzerren.“ Das gehe nur mit einer Sperrzeitenverkürzung, weil dann nicht alle Nachtschwärmer auf einmal auf der Straße stünden – und in die mit einer Sondergenehmigung ausgestatteten Clubs „Cave“, „Tangente“ oder „Club 1900“ strömten.
Einmal mehr zeigte sich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist – und wohl auch die Lärmbelastung an verschiedenen Stellen in der Altstadt. Während eine ältere Dame, die seit anderthalb Jahren in der Hauptstraße lebt, „absolut nichts Negatives“ erkennen konnte und sich über die „Lindaner“ wunderte, war ein 30-jähriger, gebürtiger Heidelberger, der in München lebt, außer sich. „Wenn ich am Wochenende meine Eltern in der Ingrimstraße besuche, wache ich nachts sechs bis sieben Mal auf“, sagte Nikolai Wessendorf, „und frage mich: Ist hier noch alles normal?“ Der Lärm sei viel schlimmer als früher, es herrsche komplette Anarchie. Das konnte „Mohr“-Wirt – und Altstadt-Bewohner – Simon Wakeling so nicht stehen lassen: „Ich kenne beide Seiten, finde es auch katastrophal, wenn ich morgens aus der Tür komme und als Erstes Urin rieche.“ Die Situation sei im Vergleich zu früher aber nicht schlimmer, sondern viel besser geworden. Eine Sperrzeitverlängerung käme einer Katastrophe gleich. Und an den Gemeinderat gerichtet: „Ich bitte Euch, seid vernünftig!“
Eine vernünftige Entscheidung scheint jedoch der Quadratur des Kreises gleichzukommen. Die Verwaltungsvorlage
zu den Sperrzeiten, so viel konnte der grüne Ordnungsdezernent Wolfgang Erichson schon mitteilen, werde beide Seiten überraschen. „Sie werden die Vorlage nicht mögen“, prophezeite er Wirten und Linda-Aktivisten.
Als der ganze Wahnsinn vorbei, die Vertreter beider Seiten abgezogen waren, bat Erichson das verbliebene Häuflein Grünen-Mitglieder um ein Stimmungsbild. Ergebnis: Drei wollen den Status quo beibehalten und 20 die Sperrzeiten verkürzen. Verlängern will sie niemand. Die Grüne Jugend hatte schon zuvor die Maximalforderung gestellt –und die Gemeinderatsfraktion aufgefordert, sich für die Einführung der Landesregel – wochentags bis 3 Uhr, wochenends bis 5 Uhr – einzusetzen.
Wie auch immer die Verwaltungsvorlage am Ende aussieht: Eine einseitige Verschärfung der Sperrzeitenregelung scheint angesichts der politischen Realitäten im Gemeinderat unwahrscheinlich. Denn auch bei den anderen größeren Fraktionen im Gemeinderat – CDU und SPD – dürfte diese Position keine Mehrheit haben.


News-Archiv:  2024 |  2023 |  2022 |  2021 |  2020 |  2019 |  2018 |  2017 |  2016 |  2015 |  2014 |  2013 |  2012 |  2011 |  2010 |  2009 |  2008 |  2007 |  2006 |  2005 |  2004