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14.02.2013

Konfliktherd Mali – was nun?

Bericht der Veranstaltung vom 13.02.2013

Trotz Aschermittwoch gut besucht war eine Veranstaltung der Heidelberger Grünen mit der Europaabgeordneten Franziska Brantner zum Konflikt in Mali. Rund 50 Zuhörer waren gekommen, um sich bei der Diskussion zwischen der Abgeordneten, die außenpolitische Sprecherin der grünen Fraktion im Europaparlament ist, und dem Politikwissenschaftler Prof. Sebastian Harnisch über die Lage in dem westafrikanischen Staat und mögliche politische Perspektiven zu informieren. Moderiert wurde der Abend von Daniel Bräuer aus der Politik-Redaktion der Rhein-Neckar-Zeitung.

Professor Harnisch machte zunächst deutlich, dass es weniger um DEN Konflikt in Mali geht, als vielmehr um mehrere ineinander verschachtelte Konflikte, die das Thema zu einem komplexen und nur schwierig zu lösenden Problem für die internationale Gemeinschaft machen. Begonnen hatten die Auseinandersetzungen im Norden des Landes als Aufstand der Touareg-Minderheit, die die die Gründung eines eigenen Staates anstrebt. Im Lauf des letzten Jahres wurde dieser Konflikt um regionale Autonomie allerdings zunehmend überlagert von Bemühungen islamistischer Gruppen, die Schwäche des malischen Staates zum Aufbau eines Rückzugsraums im Norden zu nutzen. Diesen war es zunächst gelungen, sich mit den Touareg zu verbünden und diese schließlich innerhalb der Rebellenbewegung zu marginalisieren. Zugleich kam es zu einem Auseinanderbrechen der Eliten im Süden des Landes, das letztlich dazu führte, dass ein Teil des Militärs putschte. Wir haben es also mit einer Vielzahl von Konfliktakteuren zu tun: den Touareg, verschiedenen islamistischen Gruppierungen, der zivilen Regierung sowie je einer regierungstreuen und einer aufständischen Fraktion der malischen Armee. Erst die Spaltung im Zentrum machte es den aus wenigen tausend Kämpfern bestehenden Rebellen möglich, überhaupt so weit in den Süden vorzudringen und eine ernsthafte Bedrohung für den Gesamtstaat darzustellen. Diese konnte im Januar nur durch das Eingreifen französischer Truppen auf Bitte der malischen Regierung abgewendet werden.

Franziska Brantner hob hervor, dass die zentrale Motivation für das französische Eingreifen in Mali in der starken malischen Diaspora in Frankreich liegt – fast jeder Malier hat Verwandte in Frankreich. Entsprechend groß war der innenpolitische Druck auf die französische Regierung, nicht tatenlos zuzusehen, wie radikale Islamisten die Kontrolle über das zwar muslimische, aber von einer sehr moderaten Religiosität geprägte Land übernehmen. Aus Sicht der Abgeordneten war bereits lange vor dem 11. Januar 2013 klar, dass eine Intervention unvermeidlich sein würde, um Leid von der malischen Bevölkerung abzuwenden. Sie kritisierte jedoch, dass seit Beginn der Auseinandersetzungen wertvolle Zeit verschwendet wurde, die Frankreich und Europa zur Vorbereitung eines politischen Prozesses hätten nutzen müssen. Eine militärische Intervention alleine, die zwar die Aufständischen zurückdrängt, aber nichts an den fehlenden staatlichen Strukturen ändert, könne keine Erfolgsaussicht haben. Sie forderte daher, die verschiedenen Gruppen in einen Dialog zur Beilegung des Konflikts einzubeziehen – eine Lösung für den malischen Norden sei ohne die Einbindung der Touareg nicht zu erreichen. Anzustreben wäre darüber hinaus demokratische Wahlen durchzuführen, um wieder eine klar legitimierte Regierung als handlungsfähigen Akteur zu etablieren. Dies sind aus Sicht von Franziska Brantner auch die Bedingungen für eine potentielle UN-Intervention, die sie für zur Befriedung des Landes über den französischen Einsatz hinaus für aussichtsreicher hält, als eine rein afrikanisch zusammengesetzte Mission. 

Bei der anschließenden Diskussion wurde aus dem Publikum immer wieder die Frage aufgeworfen, welche Rolle Malis Bodenschätze, bzw. diejenigen der Nachbarländer – Niger verfügt beispielsweise über relevante Uranvorkommen – für die französische Intervention spielen. Diese würde jedoch stark überschätzt – so die einhelliger Einschätzung beider Diskutanten. „Alle die glauben, dass Frankreich wegen der Bodenschätze interveniert hat, muss ich enttäuschen“, so Professor Harnisch. Diese Sichtweise werde der Komplexität des Konflikts nicht gerecht. Franziska Brantner wollte einen gewissen Einfluss französischer Uran-Interessen zwar nicht ausschließen – dieser sei jedoch marginal im Vergleich zum innenpolitischen Druck aus der französischen Diaspora. Man müsse sich nur vorstellen, die Türkei verfalle in einen Bürgerkrieg und weite Teile des Landes würden von radikalen Islamisten besetzt – die dann zu erwartenden Reaktionen der türkischstämmigen Diaspora in Deutschland wären vergleichbar mit dem, was sich angesichts der Lage in Mali in Frankreich abspielt.

Eine zentrale Frage für den Umgang mit Krisenregionen wurde ebenfalls aus dem Publikum aufgeworfen: wann brechen die Regierungen des Westens endlich mit der Praxis, immer wieder fragwürdige Eliten zu stützen, sofern es ihren Interessen dient? Die Podiumsteilnehmer konnten dem nur beipflichten – zumal, wie Franziska Brantner ausführte, die EU denselben Fehler in Algerien gerade wieder macht: für die Unterstützung bei der Intervention in Mali wurden europäische Finanzhilfen für Algerien aufgestockt. Dies wird von der grünen Fraktion im Europaparlament entschieden kritisiert.


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