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22.03.2011

Winfried Kretschmann in Heidelberg: "Wir brauchen eine Politik des Zuhörens!"

Wahlkampfabschlußveranstaltung im Deutsch-Amerikanischen Institut am 21.03.2011

Eine „Politik des Zuhörens“, die die Menschen ernst nimmt und keine Wolkenkuckucksheime verspricht. Eigentlich sollte das, was der Spitzenkandidat der baden-württembergischen Grünen, Winfried Kretschmann, da vor rund 250 begeisterten Leuten im Heidelberger Deutsch-Amerikanischen Institut ausbreitet, selbstverständlich sein. Doch das ist es im „Ländle“, wo seit 57 Jahren die „Schwarzen regieren“, wie die Landtagsabgeordnete und Heidelberger Kandidatin Theresia Bauer betont, beileibe nicht.

Kein Wunder, dass sich in seiner Begrüßung auch Daniel Hager-Mann vom Kreisvorstand nach dem Auftakt des Heidelberger Frühlings in Sachen Musik, dem meterologischen Frühling mit Sonnenschein und blauem Himmel am Montag für den Sonntag, 27. März, den politischen Frühling wünscht. Und der komme mit einemWechsel von schwarz-gelb zu rot-grün in Stuttgart und in Heidelberg einer Direktkandidatin Theresia Bauer. Alle drei spüren eine zunehmende Lust der Menschen auf Wechsel. „Auch Heidelberg“, so Theresia Bauer, „bräuchte bei vielen guten Ideen einfach einen anderen Rückenwind vom Land“.

Ohne nachdenkliche Töne möchte der 62-jährige Katholik und Vater dreier Kinder, diesen Abend nicht beginnen. Zu nah gehen ihm die Geschehnisse in Japan. Nicht nur, weil er als Gründungsmitglied der Grünen vor mehr als 30 Jahren schon damals das Thema Atom- energie und den Ausstieg daraus auf der Platte hatte. Viel präsenter noch ist ihm seine Zeit im Hessischen Umweltministerium von Joschka Fischer im Jahr 1986, als der Reaktor von Tschernobyl esplodierte. „Wir müssen so schnell wie möglich raus aus dieser Risikotechnologie und Meiler für Meiler abschalten“, da gibt es für Kretschmann kein Vertun. Die ältesten sieben Reaktoren in Deutschland, die jetzt auf Veranlassung der Kanzlerin für drei Monate vom Netz genommen werden sollen, würden nicht einmal einem Flugzeugabsturz standhalten. Für die Kehrtwende des Stefan Mappus hat er denn auch nur Misstrauen übrig. So brachial wie er den Ausstieg aus dem Ausstieg durchgesetzt habe, sei ihm da einfach nicht zu trauen. „Wenn er wenigstens einräumen würde, dass er einen schweren Irrtum begangen hat“, so Kretschmann, aber stattdessen brandmarke er die Grünen als „Dagegen-Partei“. Das nervt den erfahrenen Politkämpen aus Sigmaringen sichtlich. „Ja und Nein gehören immer zusammen“, sagt er vor einer klatschenden Mengen. Dem klaren Nein zur Atomkraft sei ein ebenso klares Ja zum Einstieg in erneuerbare Energien gefolgt. Eine Technologie, die dem Land immerhin 300 000 Arbeitsplätze beschere.

Für den Einstieg in die Bürgergesellschaft macht sich der gelernte Lehrer für Chemie, Biologie und Ethik stark. Das bedeute nicht, dass das Parlament nicht selbstbewusst agiere, sondern dass Elemente der Direkten Demokratie Einzug hielten. „Wir müssen mit der Einstellung brechen, dass Menschen, die sich zu Wort melden, Querulanten sind“, betont er. Kein Wunder, dass 80 Prozent der Bürgerschaft kein Vertrauen mehr in die Politik hege. Dem könne man nur mit Verhandlungen und Beschlüssen auf Augenhöhe begegnen. Nicht erst, wenn wie in Stuttgart 21, alles unumkehrbar scheine, sondern von Anfang an. Künftige Großprojekte wie Stromnetze, aber auch Windkraftanlagen möchte er nach dem Prinzip „Maßstäbe offen legen, diskutieren, streiten, abwägen und dann entscheiden“ bestreiten. „Entscheidend ist“, so Kretschmann, „dass das Verfahren fair ist“. Das wünscht sich seiner Erfahrung nach auch die mittelständischen Unternehmn. Die seien sehr wohl auf ökologische und energiesparende Produktlinien eingestellt, nur bräuchten sie halt auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie „klare, planbare Richtlinien“ dazu. Dann können sich die Marktkräfte entfalten, so der grüne Fraktionvorsitzende im Landtag. „Die Kunst ist“, so sagt er mit einem Lächeln, „das richtige vom falschen Jammern zu unterscheiden und dann das rechte Maß zu finden“. Doch, so fährt er selbstbewusst fort, „diese Kunst beherschen wir“.

Interessant findet er, dass die Sorgen um die Steuerlast in den Betrieben von den Sorgen um die Bildung abgelöst wurden. Und da ist Kretschmann hörbar bei einem Herzensthema angekommen. Bildung, die sich am Kind orientiert, muss seiner Ansicht nach das Rad nicht neu erfinden. Aber sie muss das klare Ziel haben, Bildung von der Herkunft zu entkoppeln. Deshalb werde eine grün-rote Landesregierung wesentlich mehr Freiheiten ermöglichen und die Blockaden für staatliche Schulen abbauen. „Es kann nich sein, dass man für gute Ideen immer eine Privatschule gründen muss“, so der grüne Spitzekandidat. All das wird seiner Ansicht nach aber nicht ohne Ganztagesschule gehen, auch wenn die nicht einfach die Verdopplung der Halbtagsschule sein wird, sondern ein Lernen „mit Kopf, Herz und Hand“ ermöglicht, dass die Kinder so fördert, dass keines von ihnen „verloren geht“. Mehr Sozialarbeit in den Schulen, Logopädie, aber auch die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und der Hausaufgaben, das gehört für Kretschmann und seine Fraktion mit zum Konzept. Ein Versprechen gibt er dann doch: „Es wird nichts geben, was nicht irgendwo auf der Welt schon erfolgreich angewandt wird“.  Billig wird diese Bildungsreform ebenso wie die geplante Abschaffung der Studiengebühren nicht, aber seinen Preis wert ist das Konzept, betonen Kretschmann und Bauer. Sie sehen durchaus noch Umschichtungspotenzial, machen aber auch keinen Hehl daraus, dass Sparen irgendwann irgendwem auch weht tun kann. Das moderat und gerecht zu halten, trauen sie sich zu und wünschen deshalb CDU und FDP die harten Oppositionsbänke. Denn das Sitzen dort, so Kretschmann, rege das Denken ungemein an.


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