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03.02.2011

Gelingendes Lernen braucht gute Lehrkräfte

Pressemitteilung von Theresia Bauer vom 03.02.11

Eines stimmt immer und überall auf der Welt: Die Lehrerinnen und Lehrer sind das Wichtigste. Ohne sie ist gelingendes Lernen schlicht nicht möglich.  „Gute Lehrer – Gute Schule“ hatte die grüne Landtagsabgeordnete Theresia Bauer deshalb ihre Veranstaltung am 02. Februar benannt. „Das Thema brennt“, bescheinigte ihr auch die Hauptreferentin des Abends, Prof. Anne Sliwka und die Anwesenden in der drangvollen Enge im Literaturcafé der Stadtbücherei konnten nur zustimmend nicken.


Die Prorektorin der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg weiß genau, wovon sie spricht. Studierte sie doch Geschichte, Politikwissenschaft, Philosophie und Erziehungswissenschaft an den Universitäten Bonn, Paris und Oxford und forschte zuletzt vor allem in Skandinavien und Kanada sowie Asien. Vor Heidelberg war sie als Professorin für Bildungswissenschaft an der Universität Trier tätig, jetzt lehrt sie am Neckar unter anderem über Erziehung und Bildung in der Schule in internationalen Perspektiven und ist Expertin in Sachen Schulkultur.


Mangelhaft mit leichter Tendenz zur Besserung, diese Schulnote drängt sich im Hinblick auf das deutsche System irgendwie auf. Wobei Anne Sliwka dringend empfiehlt, sich bei Reformen eher an den Beispielen im Norden des amerikanischen und europäischen Kontinents zu orientieren und nicht unbedingt an China oder Singapur. Während in Kanada beispielsweise die lebhafte Diskussion und konzertierte Aktion für eine bessere Schule in guten Pisa-Werten, plus hoher Chancengerechtigkeit für die Kinder und einem großen Glücksfaktor für alle Beteiligten am System Schule mündet, gehen die guten Noten in vielen asiatischen Ländern mit einer hohen Selbstmordrate bei Schülern einher.


Woran hakt es in Deutschland? Fakt ist, im internationalen Vergleich dümpelt die Bundesrepublik eher im Mittelfeld, die soziale Herkunft bestimmt mehr als alles andere über die Schulkarriere und glücklich ist hier so gut wie niemand. Expertin Sliwka hat viele Faktoren ausgemacht, die zur Misere beitragen. Beispielsweis wird der Zugang zum Lehrberuf in Finnland ganz anders geregelt. Nur die Besten, bei denen Noten, Motivation und Eignung stimmen und die intensiv getestet wurden, dürfen das Studium beginnen. „Wir machen die Selektion hier, damit wir sie nicht bei den Schülern machen müssen“, zitiert die Professorin die finnische Philosophie.


In Deutschland hingegen ist der Zugang nicht nur immer noch sehr breit möglich, sondern auch der mit Sicherheit winkende Beamtenstatus und die langen Ferien lassen den einen oder die anderen die Profession als Beruf ergreifen, wo doch vielleicht eher Berufung nötig wäre. Dazu kommt, dass die Lehrerschaft von Ausbildung, Bezahlung und Status in viele kleine Gruppen unterteilt ist, eine Standesvertretung im eigentlichen Sinn gibt es nicht. Das ist in den meisten anderen Ländern undenkbar. Da erhalten Lehrer aller Schulen den gleichen Grundlohn und dazu kommen Leistungs- oder Verantwortungszulagen. Die fachliche Qualifikation wird vor allem im Gynmasialbereich wesentlich höher bewertet als die pädagogische.


Anderswo, wo es keine Halbtagsschule gibt, sind Logopädie, Einzelförderung, Nachhilfe oder therapeutische Unterstützung fest in den Schulablauf integriert. Das ist nicht zuletzt auch deshalb nötig, weil die Lerngruppe nicht gleichförmig ist, weil es kein gegliedertes Schulsystem gibt. „Special Needs“, so Sliwka, also „besondere Bedürfnisse“, werden vor Ort angegangen und betreut. Und das gilt dann für die Förderung von Hochbegabten genauso wie für Migrantenkinder und ihre Sprachkenntnisse, aber auch für gemobbte Schüler. „Dieses Kind sieht seit zwei Wochen so traurig aus“, sagt da beispielsweise eine Lehrerin in Ontario ihrem Counsellor. Das ist eine Fachkraft, die für Beratungstätigkeit völlig frei gestellt ist von den Lehraufgaben, und ständig in der Schule anwesend und ansprechbar ist. Sie wird dann das Kind ansprechen und sich um seine Sorgen kümmern, bevor die Lage eskaliert. Das geht aber natürlich nur in Schulen, die sich als Gemeinschaft verstehen, wo Achtsamkeit vorherrscht und wo viel Zeit auch außerhalb des Unterrichts miteinander verbracht wird.


Dass solche Dinge deutschen Pädagogen, Eltern und Schulkindern wie Schilderungen aus dem Paradies vorkommen, hat nicht nur mit Finanzen und Strukturen zu tun, sondern auch mit Ausbildung. „Die Lehrer brennen am schnellsten im Job aus, denen es an Einfühlungsvermögen für ihre Schüler fehlt“, hat eine Studie ergeben. Deshalb wird diese Fähigkeit ähnlich wie die zur Kommunikation, zum Selbstmanagement und zur Arbeit im Team oder zur Problemlösung in vielen erfolgreichen Bildungsländern als Basis für den Beruf gesehen. Dazu kommt die Schulung in Diagnostik und Didaktik. Wenn eine Lehrkraft in der Grundschule nicht erkennen kann, ob ein Kind eine spezielle Behandlung bedarf oder nicht, wer dann, fragt sich nicht nur Professorin Sliwka.


Dazu kommt aber immer noch die gesellschaftliche Einschätzung des Werts von Bildung.  So trieb es selbst der erfahrenen Professorin fast die Tränen in die Augen, als sie erlebte, wie in Kanada zwei Mädchen, die als zwölfjährige Analphabetinnen ins Land kamen, sechs Jahre später erfolgreich ihren High School-Abschluss machen konnten. „Wenn eine von ihnen Ärztin werden will, dürfen wir ihr doch keine Steine in den Weg legen“, so die Begründung für die gezielte Förderung.


Ob Lasse Rad als frisch gebackener Vorsitzender des Heidelberger Jugendgemeinderates, Karsta Holch als langjährige Schulleiterin, Prof. Rose Boenicke als Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Bildungswissenschaften oder Lehramtsstudierende und Eltern. Für sie ist eines klar: Eigentlich weiß man heute ziemlich genau, was eine gute Schule ist und wie gute Lehrkräfte ausgebildet und arbeiten müssten. Gleichwohl das Wissen allein reicht nicht. Wie meinte ein Vater: „Da muss jetzt auch der politische Wille her“.


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