Home | Kontakt | Mitglied werden | Satzung | Spenden | Newsletter | Suche
Logo Bündnis '90/Grüne Heidelberg
Home » 

14.06.2006

Positionspapier der Bundestagsfraktion: Grüne fordern - FÖRDERN!

In der aktuelle Debatte um die Weiterentwicklung von Hartz IV hat sich jetzt auch die grüne Bundestagsfraktion unter Federführung des Fraktionsvorsitzenden Fritz Kuhn (MdB) konzeptionell zu Wort gemeldet.

>>> Vorbemerkungen

Die Grünen haben die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe mitgestaltet und unterstützt, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu einer armutsfesten Grundsicherung zu schaffen und den Missstand zu beenden, dass Sozialhilfeempfänger auf das arbeitsmarktpolitische Abstellgleis geschoben werden. Wir haben den besonderen Schwerpunkt darauf gelegt, dass bei der Unterstützung von Arbeitssuchenden die Aspekte „Fördern und Fordern“ gleichwertig  zum Zuge kommen und dass die Zugangschancen von Langzeitarbeitslosen zum ersten Arbeitsmarkt durch individuelle Förderung verbessert werden. Das Arbeitslosengeld II sollte das ungerechte Nebeneinander von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe und die Verschiebebahnhöfe zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit beenden. Sie waren für Langzeitarbeitslose unwürdig und führten nicht zur Verbesserung ihrer Arbeitsmarktchancen. Durch die Hartz-Gesetze sollten die Zugangschancen von Langzeitarbeitslosen zum ersten Arbeitsmarkt durch umfangreiche Betreuung und Förderung, passgenaue Hilfsangebote und eine effektive Vermittlung verbessert werden. Zum anderen sollte damit die verdeckte Armut in Deutschland aufgedeckt und abgebaut werden.
Beide Ziele halten wir nach wie vor für richtig und an beiden Zielen werden wir festhalten. Sie sind der Maßstab, an dem wir das Handeln der schwarz-roten Bundesregierung messen und an dem wir unsere eigenen Konzepte ausrichten.

>>> Hartz IV beseitigt nicht die Arbeitslosigkeit, kann aber die Zugangschancen zum Arbeitsmarkt verbessern

Die Grünen sehen im Hartz-Reformpaket den ersten konsequenten Versuch, bundesweit das Regelwerk für den Arbeitsmarkt der inzwischen Jahrzehnte andauernden Massenarbeitslosigkeit in Deutschland anzupassen und den damit verbundenen Entwicklungen entgegenzuwirken. Ziel der Hartz-Gesetze ist es, die Arbeitsvermittlung und die Instrumente zur Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu verbessern und damit die Dauer von Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Die Massenarbeitslosigkeit beenden können sie jedoch nicht. Sie müssen flankiert werden durch eine Politik, die neue Beschäftigungsfelder erschließt, die die Beschäftigungsschwelle senkt, die beschäftigungsintensives Wachstum generiert und die die Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren sowie Ausbildung und Weiterbildung steigert. Das Hartz-Reformpaket ist in einem ausführlichen und lang andauernden Verfahren zwischen allen im Bundestag vertretenen Parteien diskutiert und mit einer großen Mehrheit verabschiedet worden. Das Hartz-Reformpaket ist mit seinen unterschiedlichen Maßnahmen erst relativ kurz in Kraft. Für eine wirklich aussagekräftige und von entsprechenden Zahlen belegte Bewertung seiner Tauglichkeit ist es noch zu früh.

>>> Kein falsches Gesetz, sondern Fehler in der Umsetzung

Bisherige Expertisen kommen aber zu dem Ergebnis, dass nicht die gesetzliche Bestimmungen der Grundsicherung, sondern vielmehr eklatante Mängel in deren Umsetzung das Problem sind. So zeigt beispielsweise der Bericht des Bundesrechnungshofes, dass es sowohl bei der Förderung von Arbeitslosen als auch bei der Überprüfung von Leistungsansprüchen erhebliche Defizite in den Arbeitsagenturen gibt. Drei Beispiele dafür:

- Auch nach über sieben Monaten hat es bei einem Drittel der Betroffenen noch keinerlei Eingliederungsgespräche gegeben

- Entgegen der gesetzlichen Verpflichtung wurde bei der Hälfte der geprüften Fälle keine Eingliederungsvereinbarung geschlossen

- Durchschnittlich müssen Hilfebedürftige drei Monate auf ein qualifiziertes Erstgespräch warten.

Im vergangenen Jahr sind statt der zur Verfügung gestellten 6,6 Mrd. Euro für aktive Maßnahmen für die Bezieher von Grundsicherung, wie zum Beispiel Weiterbildung, Lohnkostenzuschüsse und Arbeitsgelegenheiten, nur 3,6 Mrd. Euro ausgegeben worden. Auch in diesem Jahr gibt es keine deutliche Verbesserung: Bis Ende Mai waren nur 1,2 Mrd. der verfügbaren 6,5 Mrd. Euro ausgegeben, weitere 1,8 Mrd. Euro sind vorgebunden, d.h. bereits für Projekte fest zugesagt, aber noch nicht ausgegeben. Noch rund 3,5 Mrd. € sind ungebunden und stehen ungenutzt zur Verfügung. Daraus lässt sich ableiten: Das Prinzip „Fördern“ ist ein noch nicht eingelöstes Versprechen. Die Bundesregierung kommt ihrer Verpflichtung nicht nach und führt stattdessen Missbrauchsdebatten. Offensichtlich sind sowohl die Argen (Arbeitsgemeinschaften) als auch die Optionskommunen bisher nicht in der Lage, Arbeitslosen die Zugänge zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, obwohl das entsprechende Geld zur Verfügung steht. Insbesondere für Geringqualifizierte fehlt es an Integrationsangeboten.

>>> Verschlimmbesserung, Kompetenzwirrwarr und falscher Personaleinsatz

Die vielfältigen Probleme bei der Umsetzung sind neben der relativ kurzen Zeit, die bisher für die Umsetzung dieser großen Reform zur Verfügung stand, zu einem Gutteil der Tatsache geschuldet, dass mit dem Konstrukt der Argen zwei Bürokratie- und Verwaltungskulturen zusammengeführt wurden, die bis heute – eineinhalb Jahre nach dem offiziellen Beginn der Maßnahme  – noch nicht zueinander gefunden haben. Ursache dafür sind nicht nur Differenzen über Zuständigkeiten und Weisungsrechte zwischen dem Bund und der Bundesagentur für Arbeit auf der einen und der Länder und Kommunen auf der anderen Seite, sondern auch Konkurrenzen zwischen den Arbeitsagenturen und den kommunalen Sozialämtern innerhalb der Argen.
Probleme bereiten häufig auch Qualifikationsdefizite beim Personal; beim Fallmanagement für U25-Jährige liegt darin zum Beispiel die Hauptursache für die unzureichende Arbeit. Zu Problemen führen auch zahlreiche neue Gesetzesänderungen (allein rund 70 im Rahmen des SGB-II-Fortentwicklungsgesetzes) und unzureichende technische Umsetzungsvoraussetzungen (Stichwort Pannensoftware A2LL).
Alles zusammen führt dazu, dass vorhandene Personalkapazitäten überwiegend durch die Antragsbearbeitung und Leistungsauszahlung in Anspruch genommen werden. Die angestrebten Betreuungsschlüssel werden häufig noch nicht erreicht. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sehen Anspruch und Wirklichkeit wie folgt aus: Bei den unter 25-Jährigen geplant 1:75, in Wirklichkeit 1:169, bei den über 25-Jährigen geplant 1:150, in Wirklichkeit 1:216.

>>> Die große Koalition versagt

Die große Koalition ignoriert in weiten Teilen die Analyse der Fehler und verfährt nach ihrer eigenen Logik: Wenn gesetzliche Regelungen nicht oder nur mangelhaft umgesetzt werden, dann sorgen die Regierungsparteien für neue oder zusätzliche Regelungen. Mit den im Frühjahr 2006 und nun mit dem Fortentwicklungsgesetz beschlossenen Änderungen des SBG II wird der Schwerpunkt auf verschärfte Sanktionen und einen insbesondere bei Volljährigen unter 25 Jahren erschwerten Leistungszugang gesetzt. Mögliche Verbesserungen im Eingliederungsbereich zur Integration von Erwerbslosen werden dagegen nicht vorgenommen. Die schwarz-rote Bundesregierung reagiert auf die bestehenden Probleme unzureichend und mit den falschen Konsequenzen. CDU und CSU rücken die Forderung nach weiteren radikalen Einschnitten im Leistungsrecht und nach verschärften Sanktionen in den Mittelpunkt. Statt sich an einer sachgerechten Aufarbeitung und Behebung der Mängel zu beteiligen, forcieren die Unionsfraktionen eine ungezügelte Missbrauchsdebatte.

>>> Falsche Missbrauchsdebatte beenden

Wir ignorieren nicht, dass es Tricks und Täuschungsversuche gibt. Dass dieses Phänomen mit der Einführung der Grundsicherung allerdings neue Dimensionen erreicht hat, lässt sich durch die vorliegenden Daten nicht bestätigen. Weder sind die Kosten explodiert (dies bestätigt eine Analyse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales), noch lässt sich beispielsweise eine massenhafte Inanspruchnahme von ALG II durch Selbstständige belegen, die sich dadurch günstig in den sozialen Systemen absichern. Unbestreitbar ist, dass das ALG II neue „Zielgruppen“ anspricht, vornehmlich die so genannten „neuen Aufstocker“, also Personen, die geringes Erwerbseinkommen mit ergänzendem ALG II aufstocken. Ihre Zahl liegt bei knapp einer Million (davon schätzungsweise 400.000 Menschen in sozialversicherungspflichtige und 400.000 Menschen in ausschließlich geringfügiger Beschäftigung). Das war und bleibt jedoch ausdrückliches Ziel der Hartz-Gesetze: Durch höhere Zuverdienste werden die Anreize zur Aufnahme von Erwerbsarbeit deutlich verbessert und faktischer Schutz vor Armut trotz Arbeit geboten. Die in einer großangelegten Propaganda verwendeten Zahlen über Missbrauchsquoten von 20 bis 25 % entbehren jeglicher Grundlage. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat in seiner Stellungnahme zum SGB II Fortentwicklungsgesetz ausgeführt, dass es keine empirischen Befunde dafür gebe, dass Leistungsmissbrauch in erheblichem Ausmaß zu Kostensteigerungen beigetragen hätte. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt die Missbrauchsquote nach einem ersten Datenabgleich auf 5 Prozent. Bestätigt sich diese Schätzung, liegt die Missbrauchsquote im SGB II nicht wesentlich über dem Normalmaß bei Sozialleistungen.

>>> Grüne Forderungen
Wir haben mit unserem umfangreichen Antrag (BT-Drs. 16/1124) bereits Anfang April 2006 sowohl Vorschläge im Leistungsrecht als auch für die Verbesserung der Eingliederungsmaßnahmen gemacht.
Darauf aufbauend wollen wir,

- dass die Eingliederungsbemühungen den notwendigen Stellenwert bekommen und Fördern in den Mittelpunkt der Arbeit rückt. Dazu muss das zur Verfügung stehende Integrationsbudget ausgeschöpft und für sinnvolle Eingliederungsinstrumente eingesetzt werden. Die gesetzlichen Vorgaben müssen erfüllt und Eingliederungsvereinbarungen mit den Leistungsbeziehern abgeschlossen werden. Durch die im SGB II vorgesehenen, aber bislang ungenutzt gebliebenen Zielvereinbarungen muss die Bundesregierung Ziele zur Förderung und Aktivierung vorgeben, deren Umsetzung aber den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen vor Ort überlassen. Durch Benchmarking zwischen den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen sowie durch gegenseitiges Lernen müssen sich erfolgreiche Förderkonzepte und lokale Ansätze durchsetzen und Verbreitung finden können.

- dass 1-Euro-Jobs nur dort zum Einsatz kommen, wo es wirklich sinnvoll ist. Die 1-Euro-Jobs sind kein taugliches Massen-Standard-Instrument und waren auch nie als solche gedacht. Der Nutzen für eine Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt muss in den meisten Fällen stark bezweifelt werden, stattdessen reißt die Zahl der Meldungen nicht ab, wonach Kommunen und Wohlfahrtsverbände reguläre Tätigkeiten durch 1-Euro-Jobber ausführen lassen. Die Beschwerden von kleinen Unternehmern und Handwerkern sind oftmals begründet. Notwendig ist deshalb eine drastische Reduzierung der Zahl der 1-Euro-Jobs und eine echte Beschränkung auf die Zielgruppe arbeitsmarktferner Personen.

- dass die geübte Praxis der BA, betreuungsintensive ALG I-Empfänger ohne Hilfestellung in den ALG-II-Bezug abzuschieben und das daraus resultierende Anwachsen der Zahl der Langzeitarbeitlosen mit besonderen Integrationshemmnissen beendet wird. Deshalb schlagen wir vor, dass die Kosten für Integrationsangebote, die sich an so genannte "Betreuungskunden im ALG-I-Bezug“ wenden, mit dem Aussteuerungsbetrag verrechnet werden. Damit vergrößert sich der Anreiz für die Bundesagentur, auch schwer vermittelbare Arbeitslose zu fördern. Die Betroffenen hingegen profitieren vom frühzeitigen Fördern und können notwendige länger andauernde Maßnahmen im ALG-II-Bezug beenden.

- dass der Kinderzuschlag für Geringverdienende unbürokratischer gestaltet und für mehr Personen zugänglich wird. Die Bedingungen zu Einkommensgrenzen und Bezugszeiten müssen so geändert werden, dass mehr Familien den Kinderzuschlag bekommen und so vor dem Abrutschen in den Hilfebezug geschützt werden. Ziel ist die grüne Kindergrundsicherung, um zu verhindern, dass Kinder für Familien zum Armutsrisiko werden.

- dass eine sachorientierte Herangehensweise die ideologische Auseinandersetzung um  die Trägerstrukturen ablöst und die Zeit, in der die Optionskommunen evaluiert werden, sowohl von Arbeitsgemeinschaften als auch den Optionskommunen für die Verbesserung der Umsetzung und die Konzentration auf das Fördern genutzt wird. Ein wirksames Benchmarking muss zu einem Wettbewerb aller Träger, seien es Arbeitsgemeinschaften oder Optionskommunen, um die besten Integrationskonzepte führen. Erst auf Grundlage der fachlichen Evaluierungsergebnisse sollte die Debatte darüber, ob das Konstrukt der Argen zukunftsfähig ist oder zu Gunsten der Optionsvariante (die dann keine mehr wäre) aufgegeben wird, forciert werden. Der bisherige Umsetzungszeitraum bietet noch keine Grundlage für eine seriöse Bewertung. Auf Basis der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung werden wir Grünen dann Vorschläge für die zukünftige Trägerschaft entwickeln.

- dass unabhängig von der Frage der Trägerschaft die notwendige und strikte Klärung der Zuständigkeiten und Befugnisse der Ebenen erfolgt. Dabei fordern wir  dezentrale Verantwortlichkeiten und eine Förderlandschaft, die nicht mehr auf bundeseinheitliche Regelungen im Detail setzt, sondern auf vielfältige Lösungen, die den individuellen und regionalen Besonderheiten gerecht werden. Im bundesweiten Benchmarking müssen sie sich an ihren Eingliederungserfolgen messen lassen.

Mitarbeiter in ausreichender Zahl (die Betreuungsschlüssel gelten als Richtwerte) und mit ausreichender Qualifizierung zur Verfügung stehen.

- den veränderten und z.T. prekären Bedingungen der Arbeitswelt entsprechend, auch Selbstständigen weiterhin die Möglichkeit eröffnen, freiwillig der Arbeitslosenversicherung beizutreten. Die mit dem SGB II Fortentwicklungsgesetz von der schwarz-roten Koalition im Schnellverfahren verabschiedetet Verkleinerung des Personenkreises, der die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige nutzen kann, läuft den geänderten Anforderungen der Arbeitswelt diametral entgegen. Das neue Phänomen der kleinen Selbständigkeit erfordert, dass ein Minimum an Sicherheit zur Verfügung gestellt wird, damit mehr Leute sich trauen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Darüber hinaus wird es darum gehen, Konzepte zu erarbeiten, mit denen die Rahmenbedingungen für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, insbesondere auch für gering Qualifizierte verbessert werden. Hier stehen zurzeit vier Projekte im Mittelpunkt der grünen arbeitsmarktpolitischen Diskussion:

Progressiv-Modell: Eine umfassende Förderstrategie kann nur greifen, wenn auch Arbeitsplätze in entsprechender Stückzahl vorhanden sind. 5 Millionen Menschen warten auf einen Arbeitsplatz. Hohe Sozialabgaben haben sich, insbesondere im unteren Einkommensbereich als Beschäftigungshindernis erwiesen. Sie machen diese Arbeitsplätze für Arbeitgeber unwirtschaftlich und für Arbeitnehmer unattraktiv. Die Politik der Bundesregierung ist sogar geeignet, die hohe Arbeitslosigkeit weiter zu verschlimmern und Arbeitsplätze zu vernichten. Entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag ist keinerlei Bemühen feststellbar, die Lohnnebenkosten zu senken.

Mit dem grünen Progressiv-Modells soll durch die gezielte Senkung der Lohnnebenkosten im Einkommensbereich bis 2000 €  die Schaffung und die Aufnahme von Arbeit attraktiver gemacht und insbesondere im Bereich einfacher Dienstleistungen neue Beschäftigung geschaffen werden. Dabei gilt: Je geringer das Einkommen, desto geringer der Sozialabgabensatz. Damit wird die Abgabenbelastung von niedrigen Einkommen reduziert. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren davon in gleichem Maße. Der Arbeitnehmer behält mehr von seinem Bruttolohn und den Arbeitgebern wird die Einstellung neuer Arbeitskräfte erleichtert. Hierin liegt vor allen Dingen eine Chance für gering Qualifizierte, denn mit dem Modell wird wieder ein gutes Verhältnis von Arbeitsproduktivität und Arbeitskosten geschaffen und Zugangshürden zum Arbeitsmarkt werden so abgesenkt.

Branchenspezifischer und regionaler Mindestlohn: Fast eine Million Beschäftigte haben so niedrige Erwerbseinkünfte, dass sie zusätzlich ALG II beziehen. Auf diese Weise wird Hartz IV zunehmend zu einem Kombilohn mit breiter Wirkung und hohen Kosten. Wir fordern die gesetzliche Umsetzung eines Mindestlohnkonzepts, das Lohndumping verhindert und gesellschaftlich akzeptierte Mindestarbeitsbedingungen für inländische und ausländische Arbeitnehmer in Deutschland festlegt. Dabei müssen die Tarifautonomie gewahrt und sowohl tariflich organisierte wie tariflich nicht organisierte Wirtschaftsbereiche erfasst werden. Um Arbeitsplätze durch einen zu hohen Mindestlohn nicht zu gefährden, muss der Mindestlohn nach Branchen und Regionen differenziert werden und unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und Lohnniveaus in Deutschland berücksichtigen.

- Entgelt statt Mehraufwand: Neben den Ein-Euro-Jobs (Mehraufwandsvariante) sieht das SGB II auch die so genannte Entgeltvariante als Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitslose vor. Anders als bei den Ein-Euro-Jobs handelt es sich dabei um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, bei denen die Hilfeempfänger ein übliches Arbeitsentgelt anstelle des ALG II erhalten und damit eine spürbare Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Diese Form führt derzeit ein Schattendasein unter den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des SGB II, obwohl diese Beschäftigungsform arbeitsmarktnäher und damit integrativer wirkt als die Ein-Euro-Jobs. So wurden im September 2005 lediglich 4% der über das SGB II geförderten Arbeitsgelegenheiten als Entgeltvariante durchgeführt. Das muss sich ändern. Notwendig hierfür wäre es, den Transfer passiver Leistungen für aktive Maßnahmen zu ermöglichen.

Zusätzlich wollen wir die Entgeltvariante mit leichten Modifikationen auch für die Schaffung von dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen tauglich machen und damit ein verlässliches Segment sozialer Beschäftigung schaffen. Wir wollen ein Angebot für absehbar nicht mehr in den ersten Arbeitsmarkt integrierbare Langzeitarbeitslose unterbreiten. Nach derzeitigen Schätzungen es hierfür einen Bedarf für rund 400.000 Menschen in Deutschland. Dies kann im Rahmen von Stadtteilarbeit, Quartiersmanagement und kommunaler Kulturarbeit stattfinden. Dafür können aber auch Integrationsfirmen nach Vorbild der Arbeitsmarktintegration von Behinderten geschaffen werden, die marktnahe Beschäftigung mit guten Integrationschancen zur Verfügung stellen. Für beides müssen die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden und durch eine Aufhebung der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung Drehtüreffekte zwischen dem Arbeitslosengeld II und der Arbeitslosenversicherung verhindert werden.


News-Archiv:  2024 |  2023 |  2022 |  2021 |  2020 |  2019 |  2018 |  2017 |  2016 |  2015 |  2014 |  2013 |  2012 |  2011 |  2010 |  2009 |  2008 |  2007 |  2006 |  2005 |  2004