Home | Kontakt | Mitglied werden | Satzung | Spenden | Newsletter | Suche
Logo Bündnis '90/Grüne Heidelberg
Home » 

29.01.2006

MEIER-Interview mit Caja Thimm: "Eine für alle?"

Samstagmorgen, Markttag in Neuenheim, wir treffen uns im französischen Bistro ”Le Coq”, Brückenstraße: weiße Tischdecken, Mineralwasser ist San Pellegrino, frühstückende Pärchen. Sie kommt rein, erkennt uns gleich, klar, unsere Diktiergeräte liegen auf dem Tisch,  forsch ,wach, schwarzer Pulli, schwarze Hose, Perlohrringe, hochgesteckte Haare, ganz anders als auf den anderen Fotos, auf denen sie die Haare mädchenhaft offen trägt. Wir sprechen über ihre Frisur, wie sie wahlkämpft, hochgesteckt oder frei hängend, nettes Geplänkel,  ... wir bestellen Milchkaffee, das Warmup ist zuende, los geht’s.

 

MEIER: Sie waren ja schon mal Stadträtin, wurden aber Wissenschaftlerin. Warum jetzt zurück in die Politik?
Thimm: Es gibt für mich zwei Traumjobs: einmal Forschung und Lehre, um etwas an der Universität zu bewegen, und zweitens – eine wunderbare Vorstellung – als Oberbürgermeisterin die Stadtpolitik zu gestalten.

 

MEIER: Warum?
Thimm: Es gibt hier eine Kultur des Unterlassens, die ich verändern möchte. Man sieht, dass es Bedürfnisse gibt etwas zu bewegen, die Menschen warten darauf.

 

MEIER: Wahrscheinlich haben Sie ja ohnehin gar keine Chance ...
Thimm: Das ist falsch! Herr Würzner ist schlagbar, sein politisches Lager ist ein Mysterium – ein ”bürgerliches Lager” gibt es in dieser Stadt nicht! Reden Sie mal mit den Leuten, die beginnen jetzt schon das Zweifeln! Zweitens ist die SPD unentschieden und unzufrieden, weil ihnen der ”tolle” Kandidat zu fehlen scheint. Ich habe der Stadt Inhalte und frische Ideen zu bieten.

MEIER: Zum Beispiel ...
Thimm: Stichwort Verkehr; es gibt Brennpunkte, massive Probleme, wo Linien überlastet sind oder ausgedünnt werden, mit zum Teil chaotischen Situationen am Morgen.

 

MEIER: Verkehr ist doch so ein kommunalpolitischer Totschläger, weil jeder die Situation kennt. Keine anderen Themen?
Thimm: Das sehe ich anders – man kümmert sich zu wenig um die Verkehrsprobleme! Wir haben jetzt in einer Aktion per Internetchat erst mal alle zur Beteiligung aufgerufen, um zu sehen, wo die Krisenstellen sind. In Heidelberg gibt es viele engagierte Menschen, die sich gerne einmischen würden und denen wir über unsere ”Aktionen 24+” – also einen ”rund-um-die-Uhr-Chat” – auch per neue Medien ein Angebot machen. Sie sehen, es geht hier auch um eine andere und neue Kultur, Themen anzugehen.

 

MEIER: Kultur, was ist das überhaupt hier und für Sie?
Thimm: Großes und für mich ein sehr wichtiges Thema! Neben dem, was wir immer unter ”Kultur” verstehen, meine ich auch politische Kultur in der Stadt damit. Das hat auch etwas mit Stadtentwicklung zu tun - die Bahnstadt und die Altstadt sind hier z. B. Themen. Nehmen wir die Altstadt – das ”Herz” der Stadt. Ohne ein ganzheitliches Altstadtkonzept wie zum Beispiel Umgestaltung der Hauptstraße oder die schöne Idee von der ”Stadt am Fluss” bewegt sich hier nichts, auch nicht beim Einzelhandel. Mit mir wird es eine Umsetzung eines Konzeptes ”Stadt am Fluss” geben - schrittweise, pragmatisch und bezahlbar!

 

MEIER: Sicher, aber das ist ja die Minderheit, und mit der kann man keine Wahl gewinnen. Wie gewinnen Sie das Establishment fürs Anderssein?
Thimm: Ich stehe für eine kommunikative, moderne und solidarische Stadt, für Wissenschaft und Wirtschaft – ich denke, das umfasst schon ein Wählerpotenzial das weit über 30 Prozent hinausgeht. Aber ich werde eine Oberbürgermeisterin für alle sein – über Generationen, Barrieren und Szenen hinweg – ich möchte die klare Mehrheit der Herzen und Köpfe gewinnen.

 

MEIER: Klingt gut und gefällt bestimmt Vielen, ihr Gegner Würzner aber profiliert sich aber als vertrauensvoller Bürokrat. Was stellen Sie dem entgegen?
Thimm: Würden Sie einen Bürokraten wählen wollen?

 

MEIER: Kein Thema hier?
Thimm: Sie sind auch Wähler!

 

MEIER: Können Sie als Wissenschaftlerin verwalten?
Thimm: Ich leite als Professorin ein Institut mit 14 Professoren, 3.000 Studierenden und habe die ganze Verwaltung zu steuern- vom Budget bis zur Einrichtung von Bachelor Studiengängen – wenn Sie da nicht verwalten und organisieren lernen, dann weiß ich nicht, wo! Und vergessen Sie nicht, ich war acht Jahre im Gemeinderat.

 

(Wahnsinn, echt nett, wie sie auf ihre Kompetenz pocht, das muss man können ohne unglaubwürdig oder erheischend zu wirken. Sie fühlt sich an wie die perfekte Heidelberger Kandidatin; noch ein bisschen Hippie in der Biografie abgekriegt, echt locker so, dazu Mutter, dazu geschieden, dazu engagiert, dazu intellektuell, dazu noch grün, dazu kreative Karrierefrau).

 

MEIER: Würzner hat ja auch Grüne Themen. Wie wollen Sie sich dagegen profilieren?
Thimm: Gar nicht, ich werde einen Öko-Wahlkampf erster Güte machen. Wir sind das Original und freuen uns über so viel ”Grün” unseres Gegners.

 

MEIER: Sie haben den Ruf als engagierte Familien und Bildungspolitikerin.
Thimm: Das ist richtig, dafür stehe ich. Frau Weber hat da einiges vorgeleistet – eine Politik, die ich ausbauen werde, besonders bei der Betreuung im Kleinkindbereich. Es gibt aber neue Probleme, die reichen von zu wenig Männer in Erzieherberufen bis hin zur Überforderung des Kita-Personals – hier sind neue Konzepte nötig.

 

MEIER: Führen Sie uns nun bitte ein paar Sätze zu Ende: Ein Fußballstadion in Heidelberg ....
Thimm: ... ist eine spannende Vision.

 

MEIER: Wir geben Ihnen die Möglichkeit, das Wort ”spannend” noch zu streichen.
Thimm: Okay, danke, trotzdem, das bleibt ... ist also eine spannende Vision, die auf der Basis von Kosten, Folgekosten und Akzeptanz der Kirchheimer ...

 

MEIER: ... da verlässt sie – mit Verlaub – aber etwas die gewohnte Leichtigkeit Ihres Ausdrucks.
Thimm: Sind Flächenverbrauch, Folgekosten keine leichten Begriffe?..

 

MEIER: Ihre Position im Team?
Thimm: Stürmer wäre schon klasse, eher links, Fußball gefällt mir, weil es ein Teamsport ist.

(Fußball bleibt auch in diesem Wahlkampf wohl ein Männerthema, da haben die Grünen-GleichstellerInnnen noch viel zu tun.)

MEIER: Die wichtigste kulturelle Einrichtung in HD ist ...
Thimm: Nein, das machen Sie nicht mit mir – dazu ist Kultur zu wichtig!
(Handyanruf. Ja, die Frau telefoniert viel, das merkt man, sie führt das Gespräch sicher – quatscht irgend etwas von Flasche und Klavier? – bis zum ” ...ich ruf noch mal an tschüüs wegklapp, tschuldigung, wo warn wir?”)

MEIER: Okay, worauf können wir verzichten?
Thimm: Mir fehlt eher was. Zum Beispiel ein Leuchtturm, so was wie die Pop-Akademie in Mannheim. Film wäre eine kulturelle Vision von mir – mit der Digitalisierung der Medienlandschaft ist dies nicht nur künstlerisch, sondern auch als Berufsperspektive ein spannendes und wichtiges Thema. Also stadtweit brauchen wir alles, Spuhler hat Bewegung in die Stadt gebracht, das zeugt davon, dass es ein großes Bedürfnis nach Kultur gibt, zu der man sich eingeladen fühlt.

 

MEIER: Das dringendste Problem in Heidelberg ist ...
Thimm: .... Wohnen. Für Familien, Studierende, aber unter dem Stichwort der Bestandsoptimierung bitte! Es wird mit mir keine Verdichtung der Stadträume geben wie das z.B. in Handschuhsheim geplant ist.

 

MEIER: Besser als Beate Weber mache ich ....
Thimm: ... die Umsetzung. Mehr machen, weniger lange diskutieren! Pragmatische Visionen sind mein Stichwort!

 

MEIER: Was bedeutet Führung für Sie?
Thimm: Teamfähigkeit, klare Entscheidungsstrukturen, klare Aufgabenverteilung, Kommunikation und Kooperation ...

 

MEIER: Unbefriedigend! Das beschreibt die Beziehungen und nicht das Voranschreiten!
Thimm: Mein Verständnis von Führung erfüllt keinen Selbstzweck. Vielmehr muss man wissen, dass man nur mit motivierten Menschen wirklich produktiv und effizient arbeiten kann, sonst geht Führung ins Leere. Räumlich gesprochen ist mein Idealbild ”management by walking” – hohe Präsenz, offene Türen. Natürlich muss man Vertrauen bilden und das geht nur, wenn man weiß, wo’s langgeht.

 

MEIER: Moral ist ...
Thimm: ... Umgang innerhalb der Politik miteinander: Aufrichtigkeit. Verlässlichkeit politischer Absprachen, Transparenz, Offenheit, eine gute Kultur der politischen Kommunikation. Das Tun, was man sagt.

 

MEIER: Schwäche ...
Thimm: ... muss erlaubt sein, das ist auch eine Stärke.

 

MEIER: Ihre Schwächen ...
Thimm: ... gutes Essen ..., ..., meine Kinder sagen, ich hätte manchmal Wutausbrüche, aber vielleicht braucht man das mit Teenagern halt auch mal....

(Zum Glück, das war nötig, das viele Gutsein war zuviel desselben, toll, man kriegt jetzt richtig Lust auf einen Wutanfall von ihr, volle Kanne. Ja, das kann man ertragen, denn die Frau hat Humor – selten genug! Aber verträgt Heidelberg das?)

 

MEIER: Sie sind ja eine Karrierefrau – ein Misserfolg bitte!
Thimm: Die Ablehnung eines wichtigen Forschungsprojektes über intergenerationelle Kommunikation, weil das Thema wie Generationen miteinander umgehen so wichtig ist. Das hat mich enttäuscht.

 

MEIER: Negativvorbilder?
Thimm: Was Schröder jetzt gemacht hat, also die Verflechtung von Wirtschaft und Macht, finde ich unwürdig.

 

MEIER: Das war’s vorerst, sind Sie enttäuscht?
Thimm: Wieso? Ich bin sicher, wir sehen uns noch!

 

(Die hat was vor, wir sind gespannt, eine interessante Kandidatin, wir beobachten weiterhin nicht nur ihre Frisur.)

 

www.caja-thimm.de


News-Archiv:  2024 |  2023 |  2022 |  2021 |  2020 |  2019 |  2018 |  2017 |  2016 |  2015 |  2014 |  2013 |  2012 |  2011 |  2010 |  2009 |  2008 |  2007 |  2006 |  2005 |  2004