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15.01.2005

Heidelberger Lieblingsplätze - RNZ-Artikel von Fritz Kuhn

Ein Ort der Zukunft - Heidelberger Lieblingsplätze (26):

Der Zollhofgarten in der künftigen Bahnstadt / Von Fritz Kuhn

Einst zu Zeiten Hölderlins galt für Heidelberg sein „Du der Vaterlandsstädte Ländlich schönste die ich je sah.“. Und es gibt auch heute noch Plätze und Gelegenheiten, die die Verliebtheit des Dichters in unsere Stadt widerspiegeln. Heute ist Heidelberg die gut organisierte Wohlfühlstadt, in der man und frau sich tatsächlich wohl fühlen kann. Und dies obwohl nicht die Stadt den Verkehr, sondern dieser die Stadt fest im Griff hat. Hölderlin, soviel steht fest, würde heute die Straßenbahn besingen. Heidelberg hat schönste Plätze, Winkel und Gassen. Und es hat gute Aussichten. Da kann es heimateln in einer Bedeutung des Wortes, die nichts mit den röhrenden Hirschen über den Sofas deutscher Biedermänner zu tun hat. Ein anderer Neckarmensch, der Philosoph Ernst Bloch, hat in seinem Heimatbegriff das vertraute warme Gefühl der Kindheitsorte mit der utopischen Sehnsucht nach einem Ort verbunden, an dem noch niemand war.

Deswegen denke ich mir zu Heidelberg einen Lieblingsplatz, den Zollhofgarten inmitten der Bahnstadt. Derzeit stehen dort noch die ehemaligen Hallen des Güterbahnhofs und die alten Gleise und Abstellanlagen der deutschen Bahn. Heute noch öde und für den ausgebildeten Romantiker so gut wie nicht wohlfühlbar, haben sich junge Heidelbergerinnen und Heidelberger diesen Teil der Bahnstadt längst zu eigen gemacht, nachdem auf dem Gelände des Güterbahnhofs im April 2002 die Halle 02 eröffnet hat. Den jungen Künstlern und Organisatoren des Ateliers Kontrast gelang es damals, sich einen festen Ort für ihre Kultur zu sichern. In diesem Sommer wurde auf der freien Fläche vor den Hallen der Zollhofgarten eröffnet: Eine Mischung aus Biergarten, Strandbar und Lounge, ein Treffpunkt der jungen Heidelberger.

Unfertig, improvisiert aber ziemlich virtuell zeigt sich hier die Absicht, sich neuem auszusetzen und Urbanität im Noch-Nicht-Fertigen zu erproben. Ein ungewohntes Heidelberg inmitten von Industriebrache und Abbruch. Der Zollhofgarten wird in der neu aufzubauenden Bahnstadt eine zentrale Funktion einnehmen. Ich stelle ihn mir als Experimentierfeld moderner Heidelberger urbanen Lebens ab dem Jahre 2010 vor. Wie der neue Stadtteil vielleicht in 15 Jahren aussehen wird, entscheidet sich daran, ob es gelingt, heute eine Vision dieses künftigen Lebens von 5000 Bewohnern und 7000 Arbeitsplätzen zu denken und zu erspüren, die anders ist als ein Abbild der Weststadt im 21. Jahrhundert. Den Zollhofgarten zu sehen, die Augen zu schließen und zu träumen, wie hier ein neuer Stadtteil entsteht, der grün ist, den Kindern Platz bietet, in dem wir wohnen und arbeiten können, ohne im Verkehr zu ersaufen. Mit bezahlbaren Wohnungen gerade für junge Familien mit Kindern. Ein Stadtteil, der der Kultur einen Schwerpunkt eröffnet und nicht nur den Gesetzen des Immobilienmarktes gehorcht.

Wir lassen gerade (mit Schmerzen) die alte Industriegesellschaft hinter uns und steuern auf eine Wissensgesellschaft zu. Der neue Stadtteil der Bahnstadt muss auf diese Veränderung eine Antwort geben. Es muss ein Stadtteil der Innovationen eben dieser Wissensgesellschaft werden. Wer wenn nicht Heidelberg könnte eine der Werkstätten der neuen Wissensproduktion sein. Für mich steht fest, dass wir hierfür das Wohnen und Arbeiten auch räumlich anders organisieren müssen. Ein Stadtteil der Kultur und der Kulturen, wie er von der Halle 02 aus seinen Ausgangspunkt nimmt. Weil hier an der Zukunft Heidelbergs gearbeitet wird, ist der Zollhofgarten, trotz der unbezweifelten Schönheiten des vergangenen und gegenwärtigen Heidelbergs, mein Lieblingsplatz.

Die Bahnstadt ist also ungewisse Zukunft. Noch sind wir unsicher, was dort geschehen könnte. Das Wohlfühlen kann sich nicht einstellen. Die Bahnstadt kann auch der Ort sein, der Heidelberg herausfordert. Der möglichst lange resistent sein wird gegenüber dem Klick-Klick der touristischen Gäste. Wenn wir Heidelberg bewahren wollen, brauchen wir auch Neues, das es noch nicht gibt. Die Zukunft ist kluges Bewahren und strittiges Verändern.


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